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Studienkommentare von Prof. Dr. Luomajoki

Selbstwirksamkeit ist ein wichtiger Faktor für die Prognose in der Physiotherapie

Evidenz deutet darauf hin, dass die Selbstwirksamkeit eine wesentliche Rolle als Schutzfaktor und Vermittler im Zusammenhang zwischen Schmerz und Behinderung bei Menschen mit chronischen Muskel-Skelett-Schmerzen spielen kann.

In einer Studie wurde die Rolle der Selbstwirksamkeit bei der Prognose chronisch muskuloskelettaler Schmerzen systematisch überprüft und kritisch bewertet. Die Studienauswahl erfolgte auf der Grundlage von Längsschnittstudien, die den prognostischen Wert der Selbstwirksamkeit bei chronischen muskuloskelettalen Schmerzen untersuchten. Insgesamt 27 Merkmale erfüllten die Aufnahmekriterien.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass höhere Selbstwirksamkeitsniveaus mit folgenden Faktoren verbunden sind:

  • grössere körperliche Funktionsfähigkeit
  • körperliche Aktivität,
  • Gesundheitszustand
  • Arbeitszustand
  • Zufriedenheit mit der Leistung
  • Wirksamkeitsüberzeugungen
  • niedrigere Schmerzintensität
  • Behinderung
  • Krankheitsaktivität
  • depressive Symptome
  • Vorhandensein von empfindlichen Punkten
  • Müdigkeit und Präsentismus


Trotz der geringen Beweisqualität der eingeschlossenen Studien sollten Kliniker ermutigt werden, Menschen mit chronischen muskuloskelettalen Schmerzen zu identifizieren, die vor der Verschreibung einer Therapie eine geringe Selbstwirksamkeit aufweisen. Es kann Ärzten bei rechtzeitigen und spezifischen Konsultationen mit anderen Gesundheitsversorgern bei der klinischen Entscheidungsfindung behilflich sein.

Kommentar:

Dieser Artikel zeigt vielversprechende Ergebnisse über die Rolle der Selbstwirksamkeit bei der Prognose chronischer muskuloskelettalen Schmerzen auf. Praxistipp: Zur Evaluation der Selbstwirksamkeit kann ein sehr einfacher Fragebogen der ASKU hinzugezogen werden:

1. In schwierigen Situationen kann ich mich auf meine Fähigkeiten verlassen. □1 □2 □3 □4 □5
2. Die meisten Probleme kann ich aus eigener Kraft gut meistern. □1□2 □3 □4 □5
3. Auch anstrengende und komplizierte Aufgaben kann ich in der Regel gut lösen. □1 □2 □3 □4 □5


Prof. Dr. PD Hannu Luomajoki, ZHAW Winterthur, Institut für Physiotherapie

Martinez-Calderon J, Zamora-Campos C, Navarro-Ledesma S, Luque-Suarez A. J Pain. 2018 Jan;19(1):10-34.

Beierlein C. et al (2013): Kurzskala zur Erfassung allgemeiner Selbstwirksamkeits-erwartungen (ASKU). Methoden, Daten, Analysen · 2013, Jg. 7(2), S. 251-278 DOI: 10.12758/mda.2013.014

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Das Gefühl von Steifheit im Rücken ist nicht an den physischen Befund von Steifheit gekoppelt

Eine neue Studie zeigt, dass das Gefühl von Steifheit im Rücken nicht mit der gemessenen Beweglichkeit auf segmentalem Niveau korreliert. Überdies konnte festgestellt werden, dass das Steifheitsgefühl veränderbar ist, wenn der Patient zusätzlich zur Druckausübung auf den Rücken das Geräusch «eines trockenen Scharniers» vernimmt.

Eine Forschergruppe aus Australien von Prof. Lorimer Moseley (Hauptautorin ist Tasha Stanton) publizierte im renommierten Wissenschafts-Journal «Nature» einen Beitrag, in dem insgesamt drei verschiedene Experimente des Phänomens «Steifheitsgefühl» im Rücken untersucht wurden. Bei den Probanden handelte es sich um 15 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen und 15 Patienten ohne Rückenschmerzen. In Bauchlage wurde den Testpersonen durch einen Apparat Druck auf einzelne Segmente ausgeübt. Dabei wurde die applizierte Kraft und die erzeugte Bewegung im Wirbelsegment gemessen.

Die Probanden wurden jeweils aufgefordert, die ausgeübte Kraft und das Steifheitsgefühl im Rücken auf einer Skala von 0 bis 100 zu bewerten.

Die Resultate zeigten Interessantes. Zum einen konnte keine Korrelation zwischen der ausgeübten Kraft und der erzeugten Bewegung im Segment und dem subjektiven Empfinden von Steifheit der Probanden festgestellt werden. Zum anderen wurde beobachtet, dass die Patienten mit chronischen Rückenschmerzen den Druck der ausgeübten Kraft überschätzten. Je grösser die Schätzungsfehler der Druckkraft waren, desto stärker empfanden die Probanden das Steifheitsgefühl. Ferner konnte festgestellt werden, dass sich das Gefühl von Steifheit bei allen Probanden veränderte, wenn ihnen bei gleichzeitiger Druckausübung auf den Rücken, das «Geräusch eines trockenen Scharniers» von einem Tonband abgespielt wurde.

Die Autoren schlussfolgern, dass das Gefühl von Steifheit nicht mit den biomechanischen Eigenschaften der Beweglichkeit des Rückens korreliert. Sie postulieren, dass das Gefühl von Steifheit eine Art Gefühl von «den Rücken schützen müssen» bedeuten könnte.

Zudem äussern sie, dass die subjektiven Gefühle, die den Rücken betreffen, immer im Kontext zu betrachten sind.

Kommentar:

„Die Forschergruppe ist bekannt für Studien, die belegen, dass Schmerzempfindung subjektiv ist und dass Schmerzen immer vom Gehirn aus erzeugt werden. Das Gehirn ist in der Lage, ein Bild von körperlichen Gefühlen zu erzeugen, welches keinerlei physischen Korrelate haben muss. Die Resultate stellen die sogenannte «objektive» Messung der Beweglichkeit in Frage. Wenn das Steifheitsgefühl nicht an die Biomechanik gekoppelt ist, steht die Frage im Raum, welche dann die geeignete Behandlung sein könnte. Dies impliziert, dass ein Steifheitsgefühl im Prinzip auch durch Reden behandelt werden könnte – «Explain Pain», - wie Moseley bekannt ist zu sagen.“

Prof. Dr. PD Hannu Luomajoki, ZHAW Winterthur, Institut für Physiotherapie

Stanton, T.R., et al., Feeling stiffness in the back: a protective perceptual inference in chronic back pain. Sci Rep, 2017. 7(1): p. 9681

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Heimübungen mit Online Apps sind effektiver als Papier Dokumente

Ein neues Forschungsergebnis spricht für die Nutzung von Online Apps für die Vergabe von Heimübungen. Die Benutzung von Online Applikationen gewinnt immer mehr an Bedeutung in verschiedenen Lebensbereichen. So nun auch in der Physiotherapie. Adhärenz Übungen wirken effektiver mit modernen Medien als traditionell auf Papier abgegebene Versionen.

Die Studie wurde kürzlich in einer der bedeutendsten Physiotherapie-Zeitschrift der Welt, der australischen «Journal of Physiotherapy» publiziert. Die Forschergruppe aus Sydney hatte 80 Patienten mit muskuloskelettalen Beschwerden an der oberen, bzw. unteren Extremität in zwei Gruppen randomisiert. Die Testpersonen bekamen nach einem einmaligen Besuch beim Physiotherapeuten ein Heimübungsprogramm mit 3-6 Übungen für 4 Wochen. Der experimentellen Gruppe wurden die Übungen via App auf ihr eigenes Smartphone gesendet. Zur Motivation wurde die Gruppe zusätzlich telefonisch kontaktiert und unterstützt. Die Patienten hatten auch die Möglichkeit, den Therapeuten per Mail zu kontaktieren. Die Kontrollgruppe erhielt die Übungen in Papierversion. Sie wurden nicht angerufen, sondern erst wieder in 4 Wochen zur Untersuchung aufgeboten.

Als wichtigster Outcome wurde die selbstrapportierten Häufigkeit der durchgeführten Übungen bewertet. Auch funktionelle Outcomes wurden benutzt (PSFS) sowohl als auch die Gesamtverbesserung der Beschwerden und Zufriedenheit zur Therapie.

Die Resultate der experimentellen Gruppe waren statistisch signifikant besser als die der der Kontrollgruppe. In Bezug auf die Adhärenz und auch für die funktionellen Outcomes war die experimentelle Gruppe ca. 10% besser als die Kontrollgruppe. Dafür gab es in puncto Zufriedenheit bzw. Gesamtverbesserung ihrer Situation keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.

Die Autoren stellen fest, dass die per Smartphone abgegebene Übungen fleissiger durchgeführt wurden und auch die Funktion gemessen an Patienten «spezifische funktionelle Skala» (PSFS) war um 10 % besser als bei den traditionell abgegebenen Übungen. Es kann aber nicht gesagt werden, wie relevant die Resultate sind, da die Unterschiede zwischen den Gruppen doch relativ gering waren.

Kommentar:

„Die Digitalisierung beeinflusst immer grössere Teile in unserem täglichen Leben. In der Physiotherapie ist es klar, dass nicht die Therapie das Wichtigste ist, sondern was die Patienten selber nach der Therapie machen. Es ist nachvollziehbar, dass Übungen in einem Smartphone, welches man immer dabeihat, eher gemacht werden als Übungen auf einem Blatt Papier, das man vielleicht auch leicht vergisst. Dabei es ist unklar, welche Relevanz die telefonische Motivation des Therapeuten in der Studie hatte. Es ist aber sicherlich an der Zeit, die Möglichkeiten der modernen Technologie zu nutzen um die Übungsadhärenz möglichst hoch zu halten.“

Prof. Dr. PD Hannu Luomajoki, ZHAW Winterthur, Institut für Physiotherapie

Lambert, T. E., L. A. Harvey, C. Avdalis, L. W. Chen, S. Jeyalingam, C. A. Pratt, H. J. Tatum, J. L. Bowden and B. R. Lucas (2017). "An app with remote support achieves better adherence to home exercise programs than paper handouts in people with musculoskeletal conditions: a randomised trial." J Physiother 63(3): 161-167.

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Psychosoziale Faktoren spielen in der Chronifizierung von Schulterschmerzen eine wichtige Rolle

In einer grossangelegten britischen Studie konnte belegt werden, dass psychologische Faktoren einen grösseren Einfluss als spezifische Strukturbefunde zur Chronifizierung bei Schulterschmerzen in der akuten Phase haben.

Gegenstand der Untersuchung waren 1030 Patienten mit akuten Schulterschmerzen, die sich in der Physiotherapie behandeln liessen. Insgesamt wurden 71 mögliche Faktoren untersucht. Nach 6 Wochen und 6 weiteren Monaten wurden mittels SPADI und DASH Fragebogen die Ergebnisse gemessen und verglichen. Es wurden die Zusammenhänge von Schmerz und Funktion untersucht. Die Analyse der Daten erfolgte anhand eins multivarianten, linearen Regressionsmodells.

Ausgeschlossen wurden Patienten, bei denen Schmerzen in der Schulter durch die Bewegung von Nacken oder BWS provoziert werden konnten. Postoperative Patienten und Patienten mit Radikulopathien, Frakturen oder andere Traumata wurden ebenfalls von der Studie ausgeschlossen. Für die Bildung von möglichen Prognosen wurden u.a. Kriterien wie Rauchen, Aktivitätsniveau, die eigene Heilungserwartung und Angst untersucht sowie strukturbezogene klinische Befunde herangezogen.

Die Resultate zeigten bei den prognostischen Faktoren ein gutes Ergebnis nach 6 Monaten (keine Behinderung/Schmerzen mehr). Dies setzte jedoch voraus, dass der Patient den selbstempfundenen Behinderungsgrad im Alltag als tief empfand und seine Erwartung an eine „komplette Heilung“ durch die Physiotherapie entsprechend hoch war. Ebenso verhielt es sich, wenn eine höhere Selbstwirksamkeit vorhanden war und ein tiefer Ruheschmerz empfunden wurde.

Die Herausgeber der Studie sind von den Resultaten überrascht und betonen, dass es angesichts der Ergebnisse in der Therapie sehr wichtig ist, diese untersuchten Faktoren bei Patienten mit Schulterschmerzen zu berücksichtigen.

Kommentar:

„Bei Rückenschmerzen ist bekannt, dass psychosoziale Aspekte die wichtigsten Faktoren sind, die zu einer Chronifizierung führen können. Dies scheint nun auch bei Schulterschmerzen der Fall zu sein, wobei der Unterschied zu Rückenschmerzstudien darin liegt, dass bei den Studien die bereits chronifizierten Patienten untersucht wurden. Diese wiesen mehr psychosoziale Faktoren auf als Patienten mit einer erfolgreichen Heilung. Es steht also die Frage im Raum, was zuerst da war. Das Huhn oder das Ei. Bei der Schulter scheint jetzt Gewissheit zu bestehen. Übrigens wird in der ZHAW im Moment eine Rückenschmerzstudie durchgeführt, die genau dieses Thema untersucht.“

Prof. Dr. PD Hannu Luomajoki, ZHAW Winterthur, Institut für Physiotherapie

Chester R, Jerosch-Herold C, Lewis J, Shepstone,L: (2016): Psychological factors are associated with the outcome of physiotherapy for people with shoulder pain: a multicentre longitudinal cohort study. Br J Sports Med Published Online First: [published on July 21,] doi:10.1136

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Kinesiologisches Taping verbessert Schmerzen und Funktion bei Patienten

Eine neue Studie zeigt, dass Kinesiotaping positive Auswirkungen auf die Schmerzempfindung und auf die alltägliche Funktionstüchtigkeit bei Patienten, welche unter Kniearthroseproblemen leiden, hat.

Die türkische Forschergruppe publizierte ihre Resultate neulich in einer amerikanischen Rheumatologie-Fachzeitschrift. Sie randomisierten 42 Patienten (Durchschnittsalter 55 Jahre; BMI 30) in zwei Gruppen. Eine Gruppe wurde nach der Methode von Kenzo Kase mittels Kinesiotape behandelt. Der M. Quadriceps und die Mm. Hamstrings wurden von oben nach unten mit einem Y-förmigen Tape und einer Spannung von 25% insgesamt drei Mal innert ca. drei Wochen versorgt. Die Vergleichsgruppe bekam ein Placebotape mittels gleichem Kinesiotape, jedoch wurden je zwei Streifen quer über die vordere und hintere Muskulatur ohne zusätzliche Spannung aufgetragen. Als Outcome wurden nach der ersten und dritten Applikation und nach 4 Wochen folgende Parameter gemessen:

Gehen, Treppensteigen, Aufstehen und Hinsitzen von einem Stuhl und der Womac Fragebogen. Ebenso wurden Schmerz (VAS), Kraft und ROM gemessen.

Die Resultate zeigten eine statistisch signifikante Reduktion der Schmerzen und eine verbesserte Gehfähigkeit und Flexionsbeweglichkeit des Knies. Dafür blieben die Extensionsbeweglichkeit und Kraft in beiden Gruppen gleich. Die Forscher stellen die Hypothese auf, dass die Reizung der Mechanorezeptoren einen günstigen Einfluss auf die Faszienbeweglichkeit hat und zu positiven Resultaten beitragen könnte. Sie geben aber zu, dass die Stichprobe relativ klein war und da nur eine Person alle Patienten behandelt hat, sind Placebowirkungen nicht ausgeschlossen (der behandelnde Therapeut wusste, wer das Placebotape bekam und wer nicht).

Kommentar:

„Bereits mehrere Studien haben versucht, Wirkungen der im Alltag doch recht populären Methode Kinesiotaping zu untersuchen. Meistens sind die Studienresultate mager. Auf Schmerzen scheinen diese aber doch einen positiven Effekt zu haben. Diese Studie wurde methodologisch gut beschrieben (obwohl die Stichprobe klein war). Die Resultate könnten eine Verzerrung haben durch die Tatsache, dass der Therapeut, welcher das Tape applizierte, nicht blindiert war. Meiner Meinung nach könnte die positive Wirkung auch durch die verbesserte Körperwahrnehmung zu erklären sein. Aber immerhin haben die Patienten mit Osteoarthrose vom Taping profitiert!“

Prof. Dr. PD Hannu Luomajoki, ZHAW Winterthur, Institut für Physiotherapie

Does Kinesio Taping of the Knee Improve Pain and Functionality in Patients with Knee Osteoarthritis? A Randomized Controlled Clinical Trial (2017). Mutlu EK, PT, PhD, Mustafaoglu R, PT, MSc, Birinci T, PT, and Ozdincler AR, Prof Dr. Am J Phys Med Rehabil 2017;96:25–33

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Scapulafokussierte Übungen sind effektiv bei Problematiken der Rotatoren Manschette

Ein neues systematisches Review über Schulterschmerzstudien, in welchem scapulafokussierte Übungen untersucht wurden, zeigt auf, dass es wertvoll ist bei Patienten mit Rotatorenmanschettenproblemen scapulafokussiert zu üben.

Biomechanisch ist es sehr verständlich, dass die Stellung und Funktion der Scapula von grosser Bedeutung für die Funktion des Glenohumeralgelenks ist. Ebenso wird klinisch häufig an der Scapula angesetzt (Setting, Beweglichkeit, Kraft, Verspannungen lösen). Doch was sagen Studien dazu?

Eine Britische Forschergruppe hat ein systematisches Review zu diesem Thema gemacht. Sie fanden dazu 7 Studien mit insgesamt 312 Patienten zur Fragestellung, ob eine scapulafokussierte Vorgehensweise zusätzliche Effekte zur lokalen glenohumeralen Behandlung aufweist. Als Outcome hatten vier Studien Schmerz und drei Studien die Behinderung im Alltag wegen Schulterbeschwerden.

Die Studien wurden mit einer kleinen Anzahl Stichproben geprüft und sie unterschieden sich voneinander von eingesetzten Techniken. Deswegen ist ein direkter Vergleich der verschiedenen Studien schwierig. Gemeinsam hatten aber alle Studien, dass die Experimentalgruppe eine spezifische Behandlung sowie Übungen für die Scapulastabilisation, die Beweglichkeit und/oder die Kontrolle bekam. Alle Patienten wurden, sowohl in der Experimental- als auch in der Kontrollgruppe, am Glenohumeralgelenk und der Rotatorenmanschette selber behandelt. Alle Patienten hatten Probleme an der Rotatorenmanschette (Rupture, Entzündungen, Impingement oder degenerative Veränderungen).

Die Resultate zeigen insgesamt sowohl für die Schmerzlinderung als auch für die Behinderungsgradverbesserung positive, statistisch signifikante Effekte für die scapulafokussierten Gruppen. Allerdings waren die Unterschiede der Resultate zwischen den Gruppen klein und hielten nur bis zu 6 Wochen an. Deswegen sind die Resultate mit Vorsicht zu geniessen und die Autoren stellen fest, dass weitere Studien mit grösseren Stichproben angebracht sind.

Kommentar:

Die Studie greift ein aktuelles und wichtiges Thema auf. Studien zeigen eindeutig, dass physiotherapeutisches Vorgehen bei den meisten Schulterbeschwerden (Impingement oder Rotatorenmanschetten-Problemen) genau so effektiv ist wie operieren. Aber darüber, welches die genauen physiotherapeutischen Massnahmen und Vorgehensweisen sein sollen, herrscht noch Uneinigkeit. Ein wichtiger Teil des Managements ist die Scapulafokussierung (Stabilisation, Setting, Kontrolle). Dieses Review zeigt eine positive Tendenz für diese Art der Vorgehensweise. Die Scapula kann bei der Behandlung von Rotatorenmanschetten-Problemen nicht ausser Acht gelassen werden. Spannenderweise hat eine neue, gross angelegte Studie mit 1000 untersuchten Schulterpatienten auch gezeigt, dass sich eine Veränderung der Beschwerden durch die Scapulapositionierung eine positive Prognose für die Schulterrehabilitation ergibt (Chester, R. & Lewis, J. 2016). Dies war der einzige physische Faktor für eine gute Prognose neben vielen psychosozialen Faktoren!

Prof. Dr. Hannu Luomajoki, ZHAW Winterthur, Institut für Physiotherapie

Bury, J., M. West, G. Chamorro-Moriana and C. Littlewood (2016). "Effectiveness of scapula-focused approaches in patients with rotator cuff related shoulder pain: A systematic review and meta-analysis." Man Ther 25: 35-42

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Subgruppenspezifisches Management ist besser als generelle Übungen bei Rückenschmerzen

Eine neue finnische Studie verglich Bewegungskontrollübungen gegenüber einem generellen Übungsprogramm bei subakuten Rückenschmerzen. Die Patienten mit Rückenschmerzen wurden vorerst subgruppiert nach dem System von Peter O’Sullivan. Es wurden nur Patienten mit einer Bewegungskontrolldysfunktion in der Studie zugelassen. Die Autoren der Studie wollten überprüfen, ob Patienten mit einem spezifischen Problem spezifisch behandelt werden müssen oder ob auch ein generelles Kräftigungsprogramm ausreicht, so wie es die Evidenz im Moment empfiehlt.

Es konnten 70 Probanden in die Studie eingeschlossenen werden. Sie hatten unspezifische, subakute mechanische Rückenschmerzen und gehörten zur Subgruppe der Bewegungskontrolldysfunktion Diese wurden mit der Testbatterie von Luomajoki (2007) festgestellt. Patienten mit seriösen Pathologien und massgebenden psychosozialen Faktoren, wie zum Beispiel Depression oder Kinesiophobie, wurden ausgeschlossen. Als Outcome Messung hatte man die PSFS (patient specific functional scale) und der RMQ (Roland Morris questionnaire) eingesetzt. Ebenfalls wurden die Bewegungskontrolltestbatterie von Luomajoki et al (2007) und die Schmerzen erfasst.

Beide Gruppen verbesserten sich signifikant. Zwischen den Gruppen gab es allerdings einen signifikanten Unterschied bezüglich des RMQ, sowie in Bezug auf die PSFS zu Gunsten der Bewegungskontrollübungen. Die Autoren kamen zum Schluss, dass sich die Probanden mit der Bewegungskontrollproblem besser auf die spezifischen Übungen reagierten als auf die generellen Übungen. Die von den Patienten selber eingeschätzte Funktionalität im Alltag verbesserte sich deutlich.

Kommentar:

In der Rückenschmerzforschung wird seit Jahren Studien mit Subgruppierungen verlangt. In dieser Studie schienen die spezifischen Übungen effektiver als generelle Übungen. Das macht auf den ersten Blick Sinn. Aber in der schweizerischen Studie von Saner et al (2015) wurde in einem sehr ähnlichen Setting das Gegenteil nachgewiesen; die spezifischen Übungen waren nicht besser als generelle Übungen. Eine schwedische (Aasa 2015) als auch eine amerikanische Studie (Henry 2014) haben die gleiche Frage auch schon untersucht. In der schwedischen Studie waren die Resultate signifikant besser bei den spezifischen Übungen, dafür in der amerikanischen Studie nicht. Also insgesamt ist die Antwort auf die Aussage „bei spezifischem Problem, muss auch spezifisch geübt werden“ noch ungeklärt. Was eventuell eine grosse Rolle bei Patienten mit nur Bewegungskontrollproblematik sein könnte, ist der eher kleine Leidensdruck. Wenn die psychosozialen Faktoren ausgeschlossen werden können, ist es eventuell auch egal welche Übungen – sie werden so oder so besser. Man könnte das Ganze auch mit der Frage vergleichen, ob es eine Rolle spielt wie Diabetespatienten üben und abnehmen, Hauptsache sie tun es!

Prof. Dr. Hannu Luomajoki, ZHAW Winterthur, Institut für Physiotherapie

Lehtola, V., H. Luomajoki, V. Leinonen, S. Gibbons and O. Airaksinen (2016). "Sub-classification based specific movement control exercises are superior to general exercise in sub-acute low back pain when both are combined with manual therapy: A randomized controlled trial." BMC Musculoskelet Disord 17(1): 135.

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Propriozeptives Training ist effektiv in der Reduktion von Sprunggelenksdistorsionen

Ein neues systematisches Review über propriozeptives Training zur Reduktion von Sprunggelenksdistorsionen hat festgestellt, dass dieses deutlich effektiver ist verglichen mit anderen Interventionen ohne spezifisches Training.

Sprunggelenksdistorsionen sind die häufigsten Sportverletzungen und kommen besonders in Sportarten mit Sprüngen und Spielerkontakt, wie Fussball, Basketball, Volleyball oder Handball, sehr häufig vor. Viele Studien sind bereits durchgeführt worden um die Effektivität der Physiotherapie zur Reduktion dieser Verletzungen zu ermitteln. Die Massnahmen in den früheren Studien waren zahlreich (Bandagen, Tapes, Braces, Krafttraining etc.). Die meisten Übungen beinhalteten aber propriozeptives Training. Doch wie effektiv sind diese Übungen?

Die Autoren fanden sieben randomisierte Studien mit ca. 3‘700 Patienten mit oder ohne vorgängige Distorsionen am Sprunggelenk. In den Studien wurden Balanceübungen mit verschiedenen Gleichgewichtsbrettern, Einbeinstand Übungen mit Therapeuten und Heimübungen gemacht. Die Häufigkeit und Dauer der Übungen variierten zwischen 10 bis 30 Minuten täglich, 4 Wochen bis 7 Monate lang. Die Kontrollgruppe hatte keine spezifische Übungen für Propriozeption, sondern wurde nur instruiert mit normalem Sport und Aufwärmübungen fortzufahren. Das Risiko für Wiederverletzungen nach Sprunggelenksdistorsionen im folgenden Jahr konnte um 35% mit dem propriozeptiven Training reduziert werden.

Von den sieben Studien zeigten fünf eine gute methodologische Qualität auf, drei wurden sogar exzellent mittels PEDro Scale bewertet. Die zwei Studien moderater Qualität hatten sich mit der Primärprävention auseinandergesetzt. Zwar konnte auch hier eine Risikoreduktion um ca. 40% gefunden werden, durch die moderate Studienqualität, müssen diese Resultate jedoch mit Vorsicht genossen werden.

Die Autoren des Reviews schlussfolgern, dass propriozeptives Training in der Reduktion von Wiederverletzungen effektiv ist. Dafür in der Primärprävention können anhand der Daten keine definitiven Aussagen gemacht werden.

Kommentar:

Manchmal werden in Studien überraschend negative Resultate bezüglich der Effektivität der Physiotherapie gebracht (denke man bspw. an spezifische Rückenstabilisationsübungen). Auf der anderen Seite zeigen Studien wieder positive Resultate bezüglich alltäglicher physiotherapeutischer Massnahmen, wie hier, für das propriozeptive Training. Das ist ein erfreuliches und wichtiges Resultat, da die Sprunggelenksdistorsionen die häufigsten Sportverletzungen in Kontaktsportarten sind.

Prof. Dr. Hannu Luomajoki, ZHAW Winterthur, Institut für Physiotherapie

Schiftan, G.S., L.A. Ross, and A.J. Hahne, The effectiveness of proprioceptive training in preventing ankle sprains in sporting populations: a systematic review and meta-analysis. J Sci Med Sport, 2015. 18(3): p. 238-44.

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Arthroskopie vom Knie weniger effektiv als Trainingstherapie

Ein neuer systematischer Review über Kniearthroskopiestudien, der im renommierten British Medical Journal unlängst publiziert wurde, rät von der Arthroskopie des Knies ab, da der Effekt in den Studien zwar signifikant aber zum Beispiel im Vergleich zu Trainingstherapie viel geringer ist.

Die schwedisch-dänische Forschergruppe stellt im Hintergrund dieses systematischen Reviews mit einer Meta-Analyse fest, dass Studien in den letzten 15 Jahren eindeutig die Effektivität der Arthroskopie als gering eingestuft haben, obwohl die Operationsraten in allen Ländern kontinuierlich zunehmen. Studien zeigen, dass sich strukturelle Befunde von Gesunden und von Patienten mit Kniebeschwerden im Rahmen eines MRI kaum voneinander unterscheiden. So ist fraglich, ob diese strukturellen Befunde überhaupt eine Rolle spielen und in wieweit eine Arthroskopie indiziert ist. Die Forschergruppe wollte dieser Frage auf den Grund gehen und alle publizierten Studien analysieren, um die Resultate genau zu überprüfen.

Für ihr Review fanden die Autoren neun Effektivitätsstudien, in welchen Kniearthroskopie bei Patienten mittleren bis höheren Alters wegen degenerativer Veränderungen oder Meniskusläsion zur Anwendung kam. Sie verglichen diese mit anderen Vorgehensweisen, wie dem Einsatz von Medikamenten oder Placebo, sowie Übungsprogrammen. In die Studien waren insgesamt mehr als 1200 Patienten eingeschlossen. Als wichtigste Nebenwirkungen wurden Thrombosen und Infektionen festgestellt, die bei ca. 1 % der Patienten auftraten.

Die Resultate waren zwar knapp signifikant für die operierten Patienten, aber die Effektgrössen waren sehr klein und verschwanden nach 6 Monaten ganz. So zum Beispiel in Bezug auf den Schmerz waren die Gruppenunterschiede im Schnitt 0.24 von max. 10 Punkten auf der VAS. Für physische Funktionen gab es zu keinem Zeitpunkt signifikante Unterschiede zwischen den Massnahmen.

Die Autoren stellen fest, dass die Effekte, obwohl knapp signifikant, keine Berechtigung zur Arthroskopie des Knies geben, da die Effektgrössen sehr gering sind. Einerseits bei Weitem nicht klinisich relevant und geringer als z.B. beim Training im Rahmen der Behandlung einer Kniearthrose.

Kommentar:

Die Studie greift ein sehr aktuelles und wichtiges Thema auf. In der Schweiz werden jährlich ca. 20 000 Arthroskopien wegen Meniskusläsion oder degenerativen Veränderungen durchgeführt. Die Operationszahlen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, obwohl Studien die geringe Effektivität mehrfach bestätigt haben. Dieser Review ergab sog. Effektgrössen (Effect size) von 0.14 bei der Arthroskopie und 0.5 - 0.64 bei Anwendung von Trainingsprogrammen. Also ist der Effekt durch Trainingstherapie ca. 4 mal grösser. Eine Arthroskopie kostet zwischen CHF 3‘000.- und 5‘000.-., eine dreimonatige Medizinische Trainingstherapie in einer Physiotherapiepraxis ca. CHF 700.-.

Prof. Dr. Hannu Luomajoki, ZHAW Winterthur, Institut für Physiotherapie

Arthroscopic surgery for degenerative knee: systematic review and meta-analysis of benefits and harms (2015): J B Thorlund, C B Juhl,E M Roos, L S Lohmander. BMJ;350:h2747

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Übungen für motorische Kontrolle effektiver als high load Training bei Rückenschmerzen

Eine neue schwedische Studie vergleicht koordinative Übungen für motorische Kontrolle (sog. low load exercises) mit Gewichthebeübungen in Form von „dead lift exercise“. Die 70 Patienten, die in zwei Gruppen randomisiert wurden, trainiercng insgesamt zwölf Mal. Das von den Patienten selber eingeschätzte Aktivitätsniveau verbesserte sich statistisch signifikant mehr in der low load Gruppe als in der Gewichthebegruppe.

Übungen und Training wirken nachweislich gut bei unspezifischen Rückenschmerzen. Welche Übungen am besten wirken, darüber herrscht grosse Uneinigkeit. In den letzten 15 Jahren sind Übungen populär worden, in welchen die motorische Kontrolle verbessert werden soll (sog. low load motor control exercises = LMC). Auf der anderen Seite kann aber auch gesagt werden, dass in der Therapie einfach die Belastbarkeit des Rückens durch das Stemmen von Gewichten wie in der Gewichthebegruppe (high load lift exercises = HLL) verbessert wird. Die schwedische Forschergruppe um Björn Aasa hat nun diese beiden unterschiedlichen Trainingsarten verglichen.

Alle 70 in die Studie eingeschlossenen Patienten hatten unspezifische, chronische, mechanische Rückenschmerzen (seit durchschnittlich 6 Jahren). Patienten mit seriösen Pathologien und auch mit massgebenden psychosozialen Faktoren, wie zum Beispiel laufenden Versicherungsklagen, wurden ausgeschlossen. Als Outcome Messung wurden die PSFS (patient specific functional scale) benützt und ebenso der RMQ (Roland Morris questionnaire). Die Bewegungskontrolltestbatterie, wie von Luomajoki et al. beschrieben, und die Schmerzen wurden ebenfalls evaluiert.

Beide Gruppen verbesserten sich signifikant. 65% der Studienteilnehmer verbesserten sich auch klinisch signifikant in beiden Gruppen in Bezug auf die Behinderung im Alltag (gemessen am RMQ). Zwischen den Gruppen gab es keinen Unterschied bezüglich des RMQ oder auch in Bezug auf die Schmerzen. Dafür verbesserte sich die PSFS und die Bewegungskontrolltestbatterie statistisch signifikant mehr in der LMC Gruppe. Die Autoren kamen zum Schluss, dass sich die Übungen der motorischen Kontrolle eventuell besser in den Alltag integrieren liessen und deswegen würden sie die von Patienten selber eingeschätzte Funktionalität im Alltagsleben eindeutiger verbessern. Das zeigten auch die Resultate in der Bewegungskontrolltestbatterie, welche sich signifikanter in der LMC Gruppe verbessern liessen.

Kommentar:

In der Tat zeigen Studien seit längerer Zeit, dass Training und aktive Übungen bei Rückenschmerzen sehr wirkungsvoll sind. Es ist aber unklar, ob eine bestimmte Art Übungen besser wirkt als eine andere. Laut dieser schwedischen Studie waren nun doch die individuellen und koordinativen Übungen dem klassischen Krafttraining überlegen. Allerdings lag ein wichtiger Unterschied zwischen den Gruppen vor, nämlich dass die LMC Gruppe Einzeltherapie hatte und die HLL-Studienteilnehmer in Gruppen trainiert haben. Es ist erfreulich, dass nun gezeigt wurde, dass individuelle Einzeltherapie effektiver ist als standardmässiges Krafttraining. Aus dem Bauchgefühl und durch ihre eigene Erfahrung würden dies sicher viele Physios unterschreiben (auch vor Veröffentlichung der Studie).

Prof. Dr. Hannu Luomajoki, ZHAW Winterthur, Institut für Physiotherapie

Aasa, B., L. Berglund, P. Michaelson and U. Aasa (2015). "Individualized low-load motor control exercises and education versus a high-load lifting exercise and education to improve activity, pain intensity, and physical performance in patients with low back pain: a randomized controlled trial." J Orthop Sports Phys Ther 45(2): 77-85, B71-74.

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Ultraschall ist effektiv in der Behandlung von Carpal Tunnel Syndrom

Eine taiwanesische Studie stellt fest, dass Ultraschalltherapie bei der Behandlung von Carpal Tunnel Syndom effektiver ist als Paraffin.

An der Studie, die vor kurzem in BMC msuculoskeletal disorders erschienen ist, nahmen 60 Patienten teil, bei denen elektroneurographisch (ENMG) und klinisch bestätigt ein Carpal Tunnel Syndrom (CTS) vorlag. Aufgeteilt in zwei Therapiegruppen, erhielten beide während einer Dauer von acht Wochen eine Nachtschiene und zusätzlich zwei Mal pro Woche entweder Ultraschalltherapie oder eine Wärmebehandlung mittels Paraffinbad.

In dieser methodologisch gut durchgeführten Studie wurde als wichtigstes Resultat der selbstadministrierte Boston CTS Fragebogen eingesetzt. Im Fragebogen schätzen die Probanden die Funktionsfähigkeit der Hand selbst ein. Als sekundäres Outcome wurden Kraft-, Sensibilitäts- und ENMG-Tests durchgeführt.

In beiden Gruppen wurden statistisch signifikante Verbesserungen in sowohl subjektiven als auch physischen Outcomes festgestellt. Die Funktion und der Schmerz verbesserten sich waren hingegen in der Ultraschallgruppe signifikant im Vergleich zur Paraffinbadgruppe. In den physischen Messungen (Kraft, Sensibilität und ENMG) wurden jedoch keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen verzeichnet.

Die Autoren schlossen daraus, dass eine Behandlung mit Ultraschall gegenüber einer Paraffinbehandlung die bessere Wahl in der Therapie bei CTS war. Da beide Behandlungsmethoden Wärme und dadurch eine Verbesserung der Durchblutung erzeugen, aber nur Ultraschall noch physikalische Effekte (Stoffwechselverbesserung) hervorruft, hypothetisieren die Autoren der Studie, dass dies der Grund des Gruppenunterschiedes ist.

Kommentar:

Ultraschall ist eine altbewährte physikalische Massnahme bei diversen muskuloskelettalen Beschwerden. An deren Effektivität wird jedoch häufig gezweifelt. Diese Studie zeigt in einem engem und fairen Kontrast gegenüber nur oberflächlicher Wärmeapplikation die Überlegenheit der US Behandlung bei CTS. Insgesamt war die Therapie sehr pragmatisch: 8 Wochen lang eine Nachtschiene plus zwei Mal in der Woche entweder US oder Paraffinbad. Die Dosierung der US betrug 5 Minuten 1 W / cm2 pulsiert ¼. Es kann hinterfragt werden, ob die Resultate noch besser wären mit einer häufigeren Anwendung und kombiniert mit aktiven Massnahmen, die in der Studie nicht erwähnt wurden.

Prof. Dr. Hannu Luomajoki, ZHAW Winterthur, Institut für Physiotherapie

Comparative effectiveness of ultrasound and paraffin therapy in patients with carpal tunnel syndrome: a randomized trial (2014) : Yi-Wei Chang, Shih-Fu Hsieh, Yu-Shiow Horng, Hui-Ling Chen, Kun-Chang Lee and Yi-Shiung Horng BMC Musculoskeletal Disorders 15:399

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Diskushernien sowie degenerative Befunde in der Radiologie sind genauso häufig bei gesunden Personen wie bei Rückenschmerzpatienten

Ein neuer Reviewartikel aus den USA, der insgesamt 33 Studien über radiologische Befunde bei Gesunden zusammengefasst hat, bringt zum Teil erstaunliche Resultate ans Licht: diskogene Befunde und weitere degenerative Befunde sind beinahe gleich häufig bei gesunden Personen ohne ein Rückenleiden wie bei Personen mit Rückenschmerzen.

In dem umfasenden Übersichtsartikel (33 Studien mit über 3110 Fällen), der Studien mit radiologischen Befunden bei Gesunden zusammengefasst hat, wurden die Bilder nach Altersgruppen eingeteilt. So haben zum Beispiel bereits 20-jährige zu 37%, 30-jährige zu 52% und 50-jährige zu 80% degenerative Befunde in ihren Röntgenbilder. Diskushernien haben sie zu 30%, 40% und 50% bei entsprechendem Alter.

Die Autoren stellten fest, dass die degenerativen und diskogenen Befunde in radiologischen Untersuchungen sehr häufig sind und deswegen als normaler Alterungsprozess gesehen werden müssen. Es ist wichtig immer das klinische Bild des Patienten gut zu beurteilen, um eine Entscheidung zu treffen, ob die entsprechenden Bildbefunde überhaupt von Bedeutung sind.

Kommentar:

Fast alle Patienten kommen mit Röntgenbildern oder Röntgenberichten in die Therapie. Ein häufiges Problem ist, dass die Patienten den Bericht selber lesen und das Gefühl haben, dass ihrer Rücken „völlig kaputt“ ist. Hierbei ist es ganz wichtig ihnen das zu erklären, dass quasi niemand ein Röntgenbild ohne Befunde hat. Hierbei kann so ein Artikel grosse Hilfe leisten, wenn man sagen kann, dass Studien eindeutig zeigen, dass das Röntgenbild per se noch nichts aussagt über Schmerzen. Unser hochstilisiertes Medizinalsystem hat einen pathogenetischen Ansatz entwickelt, in dem man fast alle „krank macht“ – obwohl die Bilder eigentlich normale Veränderungen des Achsenorgans zeigen. Zur Beruhigung der Patienten können und sollten Studien gezeigt und erklärt werden.

Prof. Dr. Hannu Luomajoki, ZHAW Winterthur, Institut für Physiotherapie

Systematic Literature Review of Imaging Features of Spinal Degeneration in Asymptomatic Populations. W. Brinjikji, P.H. Luetmer, B. Comstock, B.W. Bresnahan, L.E. Chen, R.A. Deyo, S. Halabi, J.A. Turner, A.L. Avins, K. James, J.T. Wald,

D.F. Kallmes, and J.G. Jarvik. AJNR Am J Neuroradiol, Nov. 2014

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