Bei «Springs-Köln», einem Kölner Therapiezentrum für Physiotherapie mit drei Standorten, werden Einflüsse aus Pilates-Training und Osteopathie erfolgreich in die Skoliose-Therapie eingebunden.
Junge Patienten mit Skoliose kennen das Gefühl von Unlust nur zu gut, und ihre Eltern erst recht: «Schon wieder Physiotherapie? Muss ich da hin? Kann ich nicht lieber spielen oder abhängen?» Physiotherapeutin Jessica Weiss, die in der Kölner Praxis Springs als Stellvertretende Leiterin von Alexander Bohlander arbeitet, erlebt bei Jungen und Mädchen, die neu in die Praxis kommen, häufig, dass diese von Schroth-Therapie und anderen Übungen nichts mehr hören möchten. «Skoliose belastet Kinder auf emotionaler Ebene sehr. Sie haben diese Erkrankung, deren Name für sie schon komisch genug klingt: Sko-li-o-se. Sie kommen mit ihrem Röntgenbild hierher und haben im Kopf Übungen, die sie zum Teil seit Jahren machen. Sie langweilen sich und sind manchmal fast in einer Art Schockstarre. Die Mütter erzählen mir, dass die Kinder zum Beispiel das Problem haben, sich durch ihr Korsett eingeengt zu fühlen.»
Springs Köln, das zugleich Pilates-Studio und Praxis für Physiotherapie und Osteopathie ist, setzt auf ein Konzept, das die Patienten stärken soll – seelisch genauso wie körperlich. Ein zentraler Punkt ist dabei die Vernetzung von Elementen klassischer Physio- und Schroth-Therapie mit Pilates-Einflüssen und Osteopathie. «Nur über die Wirbelsäule zu sprechen, ist bei der Skoliose zu kurz gegriffen. Die Ursachen für diese Erkrankungen können vielfältig sein, denn im Körper greift alles ineinander», sagt Alexander Bohlander, Physiotherapeut und Osteopath: «Nicht nur das Knochengerüst spielt dabei eine Rolle, sondern unter Umständen auch die inneren Organe.» Wenn zum Beispiel infolge von Asthma ein Lungenflügel verklebt ist, kann er unter Umständen nur eingeschränkt expandieren. Das kann dann zu einer verminderten Einatmung und einer Blockade führen, welcher sich unter Umständen über die Zeit hinweg die Brustwirbelsäule angepasst hat. Auch durch organische Beschwerden im Magen-Darm-Trakt, eingeschränkte Beweglichkeit der Faszien und viele andere Phänomene können die Entstehung oder Verschlimmerung von Skoliose begünstigen. «Die Osteopathie kennt drei Systeme: Das parietale, also den Bewegungsapparat, das viszerale, das sich auf die inneren Organe bezieht, und das cranio-sacrale, das heisst die Verbindung zwischen Kopf, Nervensystem und Kreuzbein. Eine ausführliche osteopathische Anamnese zeigt, dass die Kinder, die mit einer Skoliose kommen, immer mit mindesten einem der drei Systeme eine Einschränkung haben», so Bohlanders Erfahrung. Da er als Osteopath Zusammenhänge zwischen dem Zustand der Wirbelsäule und dem der inneren Organe sieht, ist es nach seiner Einschätzung für die Skoliose-Therapie ideal, wenn der schulmedizinische und physiotherapeutische Befund osteopathisch ergänzt wird. Wenn dann zum Beispiel eine Blockade gelöst werden kann, die auf verklebte Faszien oder anderes zurückzuführen ist, trägt dies neben der weiteren Therapie auch das zu einer Verbesserung der Situation bei.
Sein Konzept, Einflüsse aus der Osteopathie in die Physiotherapie zu integrieren, hat seine Mitarbeiterin Jessica Weiss so sehr überzeugt, dass sie nach ihrem Bachelor in Physiotherapie noch eine Ausbildung zur Osteopathin gemacht hat. Ihre Abschlussarbeit schrieb sie über Osteopathie und Skoliose. «Viele Studien beziehen sich auf die Zusammenhänge von Skoliose und weiteren Störungen von Systemen, aber in der Regel wird die Skoliose nicht als multifaktorielles Geschehen betrachtet», berichtet Weiss. Ernährung, Bewegungsverhalten, Psyche, Vor- und Begleiterkrankungen oder auch frühere Unfälle und Geburtstraumata, die vermeintlich glimpflich abgingen – alle diese Parameter haben einen Einfluss auf den Körper und können, unter Umständen, auch im Zusammenhang mit der Skoliose stehen. «Die Verknüpfung von Osteopathie und klassischer Skoliose-Behandlung ist eine zu positive Option, als dass man sie nicht versuchen sollte», findet Jessica Weiss.
Eine von vielen Besonderheiten der Osteopathie ist ihr Blickwinkel. Die Osteopathie hat nicht die Erkrankung im Fokus, sondern geht von der Gesundheit aus und davon, dass diese ständig im Begriff ist, sich selbst wiederherzustellen. Training und Therapie sind bei Springs Köln geprägt von Einflüssen aus dem Pilates-Konzept und neuen, innovativen Elementen wie dem «Oov». «Sehen Sie, wie er guckt?», fragt Jessica Weiss mit Blick auf einen Jugendlichen, der gerade alles gibt, um auf dem gewölbten Polster die Balance zu halten: «So konzentriert sehen die Kinder bei der Schroth-Therapie nicht aus! Schroth ist ein ausgeklügeltes System mit guten Erfolgen, aber mir fehlt dabei die Stabilisationskomponente.» Diese wird mit unterschiedlichen Bewegungsabläufen und Geräten aus dem Bereich des Pilates bei Springs Köln gezielt eingebracht, zum Beispiel mit Pilates-Geräten. Sie sind mit Federn ausgestattet, die als Kraftquelle wirken und so eine neue Dynamik erzeugen.
«Unsere Vision ist es, den Patienten eine Alternative oder Ergänzung zu zehn Jahren Schroth-Therapie zu bieten», so die Physiotherapeuten. Mit der Kombination von Physiotherapie, Osteopathie und Pilates verfolgt die Skoliose-Behandlung bei Springs einen ganz neuen Ansatz, der beim Training Spass macht und, da er die Zusammenhänge in der Tiefe betrachtet, dem Patienten langfristig einen echten Mehrwert bieten kann.
Trainieren mit dem Oov
Der «Oov» ist ein Trainingsgerät, das von einem australischen Osteopathen und Neurowissenschaftler entwickelt wurde. Der Oov ermöglicht es, Instabilitäten und Restriktionen im Körper aufzudecken und unterstützt dabei, Strategien zu finden, Stabilität aufzubauen und Bewegungskontrolle zu erreichen. Es sieht im weitesten Sinne aus wie eine dreidimensionale Acht, die nach oben hin sehr schlank verläuft und der Form der Wirbelsäule entspricht. Aussparungen im Schulterbereich sorgen dafür, dass die Beweglichkeit der Schulterblätter nicht beeinträchtigt ist. Das Material sinkt, wenn jemand darauf liegt, leicht ein und entfaltet dadurch eine dezente Zugwirkung auf die Wirbelsäule. Der Übende muss dann zum Beispiel beide Arme und ein Bein in die Luft heben – ohne umzufallen!
«Das Gehirn entwickelt z.B. dabei automatisch ein Programm, um das Standbein zu stabilisieren. Die Bewegung sendet automatisch den Impuls, um die Wirbelsäule zentral zu halten», beschreibt Jessica Weiss. So erlernt der Körper intuitiv neue Muster und Bewegungsabläufe. Ein weiterer Vorteil für Skoliose-Patienten: Auf dem Oov steht das Zwerchfell leicht nach oben, wodurch die Atmung erleichtert wird.
Mehr über Osteopathie
Die Osteopathie wird im Bereich der Komplementärmedizin eingeordnet. Immer häufiger wird sie bei unterschiedlichen Beschwerden zu Rate gezogen, um schulmedizinische Behandlungen zu ergänzen. Einige Krankenkassen übernehmen dafür auch die Kosten. Begründet wurde die Osteopathie im 19. Jahrhundert durch den US-amerikanischen Arzt Andrew Taylor Still (1828 – 1917). Still legte bei seinen Behandlungen den Fokus nicht darauf, eine Erkrankung zu kurieren, sondern das zu stärken, was seine Patienten an gesundem Potential mitbrachten. Seine These war, dass der Körper viele Prozesse eigenständig heilen kann, wenn nicht Blockaden den freien Fluss innerhalb der Gefässe, Gewebe und Nervenbahnen behindern. Vor diesem Hintergrund betrachten Osteopathen die folgenden drei Systeme:
- Das parietale System: den Bewegungsapparat, die Knochen, Gelenke, Wirbel, Bänder, Muskeln, Faszien und Sehnen
- Das viszerale System: Blut- und Lymphgefässe sowie die inneren Organe
- Das cranio-sacrale System: hierzu gehören das Nervensystem, Befestigungen, Schädel, Wirbelsäule, Kreuzbein, Kopf und Rücken
Liegt in einem dieser Systeme eine Blockade vor, dann können die natürlichen Prozesse des Körpers in diesem Bereich nicht ungehindert stattfinden. Durch manuelle Behandlungen geschulter Osteopathen lassen sich Blockaden lösen. Im Zusammenhang mit der klassischen Skoliose-Therapie ist das eine positive Unterstützung.